Der Fachkräftemangel in der Schweiz ist nicht weg zu leugnen. Speziell KMU sind betroffen. Es fehlt besonders an Ingenieuren, Technikern und Berufsleuten in der Informatik und im Treuhandwesen. Damit die Folgen nicht zu empfindlich ausfallen, muss nun an verschiedenen Schrauben gedreht werden.

Der aktuelle Fachkräftemangel-Index des Stellenvermittlers Adecco in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich zeigt auf, in welchen Bereichen bereits heute besonders viele Fachkräfte fehlen. So gab es in den ersten zwei Quartalen 2018 gesamtschweizerisch besonders viele offene Stellen pro arbeitslose Person im Treuhandwesen (inklusive Revisoren und Steuerberater/innen). Auf Platz zwei der Rangliste befinden sich bereits technische Berufe, zu welchen speziell Elektro-, Maschinen-, Heizungs-, Textil-, Fernmelde-, Hoch- und Tiefbautechniker/innen gehören. Es wird ganz gezielt nach jenen Technikerinnen und Technikern gesucht, die «neues Wissen» haben und sehr praxisorientiert ausgebildet wurden. Terry Tschumi von der TEKO Basel, spezialisiert auf die Ausbildung von Techniker/innen HF und mit ausgezeichnetem Ruf für eine moderne, praxisorientierte Ausbildung: «Wer jetzt eine Ausbildung als Wirtschaftsinformatiker/in, Techniker/in, Ingenieur/in, Mechatroniker/in oder in der PR-Branche und Betriebswirtschaft macht oder sich für eine Karriere als Technische(r) Kauffrau/Kaufmann entscheidet, hat vorerst eine gute Wahl getroffen. Es ist jedoch wichtig, dass die Aus- und Weiterbildungsinstitute sich an den Bedürfnissen des Marktes ausrichten. Absolventinnen und Absolventen müssen heute zwingend vernetzt denken und handeln und aktualisiertes Wissen in die Praxis umsetzen können. Solchen Anforderungen muss man heute als Schule gerecht werden. Das tun wir in unserem Ausbildungsbereich Technik.»

Für Frauen, die immer stärker auch zu den so genannten «MINT» Berufen tendieren (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) bedeuten diese Entwicklungen ebenfalls Positives. In der Deutschschweiz ist der Erhebung des Fachkräfte-Indexes zufolge der Fachkräftemangel bei den technischen Berufen am drängendsten. «Es ist für Unternehmen sehr schwierig, solche Vakanzen zu besetzen», sagt unter anderem Nicole Burth, CEO der Adecco Group Schweiz, in einer Pressemitteilung. Leider gäbe es ausserdem noch immer noch zu wenige Frauen, die eine Ausbildung in den klassischen Mint-Berufen absolvieren. Da setzt Terry Tschumi von der TEKO Basel an: «Wir können einen Zuwachs an Interesse für Techniker HF-Abschlüsse bei Frauen feststellen und bilden bei uns auch einige Frauen aus. Dieser Trend wird sich fortsetzen.»

Eine der Lösungen: Mehr Frauen für Berufe mit grossem Fachkräftemangel

Frauen weiter in den Arbeitsmarkt einzubinden, sei dabei eine wichtige Stossrichtung, wird auch Helen Buchs vom Stellenmarktmonitor Schweiz der Universität Zürich zitiert. Wichtig sei dabei, ihnen mehr Lust auf Berufe mit grossem Fachkräftemangel zu machen. Zwischen 2010 und 2016 ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen laut Seco bereits um 81’900 Vollzeitstellen gewachsen. Insgesamt wuchs das Arbeitskräfteangebot allerdings um 322’700 Vollzeitstellen. Die gleiche Analyse wird auch beim Studium der Erhebung des Fachkräfte-Indexes deutlich: «In den Berufen am oberen Ende der Liste dürfte sich der Fachkräftemangel teilweise weiter akzentuieren», heisst es in den Studien zum Fachkräftemangel. Die Lücken in Berufen mit grossem Fachkräftemangel seien nur durch gezielte Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme zu schliessen. Die Bereiche, die intensiv nach Fachkräften suchen, seien bekannt. Dadurch dürften mehr Leute bereit sein, eine entsprechende gezielte Ausbildung zu machen.

Fachkräftemangel ist auch eine Chance für den Nachwuchs

Dass der Fachkräftemangel bei den Technikerinnen und Technikern eine grosse Chance bedeutet, betonen auch die Trendscouts der HR Branche. Mit der «Smartifizierung» der Städte und der Digitalen Transformation in den Arbeitswelten 4.0 wird auch der Bereich Cleantech boomen wie kaum ein anderer. Als «Oase für grüne Technologie» sehen die Zukunftsforscher Mitteleuropa in wenigen Jahren. Es wird stetig in erneuerbare Energien investiert. So wird man immer häufiger die Berufsbezeichnungen «Abfall-Designer», Energieberater/in mit eidgenössischem Fachausweis, Fachmann/Fachfrau Entsorgungsanlagen und Rohstoffaufbereiter/in hören. Der Umwelt- und Klimaschutz schaffe «grüne Arbeitsplätze» sagen die Experten. In den letzten drei Jahren hat sich der Berufsmarkt dementsprechend angepasst. Somit haben eben genau die Techniker/innen HF in Energie und Umwelt besonders gute Aussichten. Laut einer Oxford-Studie zur Zukunft des Arbeitsmarktes bleiben diese Berufe auch im Jahr 2030 noch immer stark im Trend. Generell sind aber Berufe gefragt, die viel mit dem Vernetzen von Fähigkeiten zu tun haben oder als Schnittstellen zwischen Berufsgruppen fungieren. Dies gilt auch für Ingenieurberufe, Berufe der Humanmedizin und Pharmazie und für (Wirtschafts-)Informatiker/innen. Da herrscht ebenfalls Fachkräftemangel und gute Leute werden stark gesucht.

Gute Fachkräfte finden und im Betrieb halten

Genügend Fachkräfte auszubilden ist das eine, diese dann auch für das Unternehmen zu gewinnen und in der Organisation zu halten das andere. Die neuen Generationen von Mitarbeitenden lassen sich nicht mehr alleine mit einem guten Lohn und Karriereaussichten binden. Viel mehr stehen die Sinnhaftigkeit der Aufgabe und der Gestaltungspielraum im Vordergrund. Arbeit muss Spass machen, wertschätzt werden und sich gut mit der Familie und der Freizeit in Einklang bringen lassen.

Auch an den Führungsstil der Vorgesetzten werden ganz andere Ansprüche als früher gestellt. Hier kommen neue Berufsbilder, wie der Betriebliche Mentor mit eidg. Fachausweis ins Spiel. Daniel Herzog, Geschäftsführer der Lernwerkstatt Olten, Anbieterin dieses Lehrgangs an sieben Standorten ist überzeugt: «Klassische Führungsmodelle haben ausgedient und die Begleitung zu mehr Autonomie verlangt nach Führung auf Augenhöhe. Betriebliche Mentorinnen und Mentoren verfügen speziell über diese Kompetenzen und über eine unterstützende Coaching-Haltung.» Diese neue Generation von Führungsleuten tritt als Berater/in, Coach und Trainer/in auf hat dabei aber immer auch den betrieblichen Nutzen im Fokus. Herzog spürt nach eigenen Aussagen das Bedürfnis von Führungs- und HR-Fachleuten nach Unterstützung in diesen Themen. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der von der Lernwerkstatt neu entwickelte 10-tägige Coaching-Lehrgang mit Konzepten, Basistheorien und Tools für erfolgreiches Coaching grosser Nachfrage erfreut

Besonders KMU sind betroffen

Generell sind in allen Fachbereichen Team- und Kommunikationsfähigkeit wichtig. Arbeitgeber beklagen bei ihrer Rekrutierung nicht nur einen Mangel an Fachkenntnissen, sondern auch an Soft Skills. Dies sei wichtig, denn trotz der Digitalisierung seien menschliche Stärken wie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, Problemlösungskompetenzen und schriftliche und mündliche Kommunikation sehr gefragt – und zwar auf allen Stufen. Was ebenfalls auffällt: Besonders den Klein- und Mittelbetrieben (KMU) fehlt es an Fachkräften. Dies bestätigt unter anderem auch eine Studie der Credit Suisse. Grossbetriebe seien bekannter, sie böten gute Löhne und allenfalls mehr Optionen für Weiterbildungen. Das ziehe Fachkräfte eher an als kleinere Betriebe. Dabei sei vor allem in den KMU die Entfaltungsmöglichkeit oftmals grösser und somit der Job auch deshalb besonders attraktiv.