Während der Coronavirus-Krise müssen sich viele Unternehmen mit einer Strukturanpassung anfreunden: Zeit für betriebliches Mentoring.
Eine Strukturanpassung ist kein Prozess, der ohne Nebenwirkungen bleibt. Besonders nicht bei den betroffenen Mitarbeitenden. Die Begleitung der involvierten Personen erfordert nicht nur ein hohes Mass an Kenntnissen über den Betrieb und dessen Arbeitsabläufe, sondern auch die bewusste Auseinandersetzung mit allfälligen Ängsten und Grenzen jedes einzelnen. «Da hilft es, klar kommunizierte Ziele vor Augen zu haben», sagt Regina Widmer, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Lernwerkstatt Olten.
Regina Widmer ist bei der Lernwerkstatt Olten zuständig für die Organisations- und Personalentwicklung und leitet den Bereich «Produkte und Entwicklung Coaching/Mentoring». Als Betriebsökonomin habe sie vor über 20 Jahren via Qualitätsmanagement die Passion für die Organisations- und Personalentwicklung entdeckt. Nach der Höheren Fachprüfung zur eidg. dipl. Betriebsausbilderin und der Weiterbildung zur BSO anerkannten Organsationsberaterin/Coach sammelte Regina Widmer parallel zu ihrem Engagement bei der Lernwerkstatt über mehrere Jahre Erfahrungen als Beraterin in Aus- und Weiterbildungsinstituten sowie Privatkliniken.
In diesem Tätigkeitsbereich entdeckte sie unter anderem auch das grosse Bedürfnis vieler Branchen nach einem effizienten und nachhaltigen betrieblichen Mentoring. Mit der Transformation der Arbeitswelten 4.0 und 5.0 hat sich dieses sogar noch stärker entwickelt: «Das Berufsbild der betrieblichen Mentorin, beziehungsweise des betrieblichen Mentors begeistert mich in seiner ursprünglichen Form und motiviert mich auch heute bei der täglichen Arbeit. Zusammen mit unseren engagierten Kursleitenden bin ich darum bestrebt, unseren Kursteilnehmenden mit unserem Lehrgang durch die zusätzlichen Beratungskompetenzen den Zugang zu einem erweiterten Job-Profil zu ermöglichen.» Regina Widmer betont, dass man sich dabei auf ein ressourcen- und lösungsfokussiertes Vorgehen konzentriere und sich am systemisch-konstruktivistischen Denken orientiere. «Dabei entwickeln unsere Teilnehmenden eine autonomiefördernde Grundhaltung, die ihren Mentees in der professionellen Begleitungsarbeit zu nachhaltigem Erfolg verhilft. Die konzeptionelle Weiterentwicklung unserer Coaching- und Mentoring-Lehrgänge sowie die Führung der Kursleitenden gehören dabei zu meinen Kernaufgaben. Ausserdem amte ich seit Beginn dieser Berufsprüfung als Prüfungsexpertin.»
Spannenden Prozess begleiten
Betroffene zu Beteiligten zu machen, das sei zum Beispiel ein wichtiges Motto in der Begleitungsarbeit. «Die Aufgabe ist, den Mitarbeitenden den Sinn ihrer Arbeit zu vermitteln und mit klaren Strukturen Orientierung zu geben. Daneben ist es wichtig, den Mitarbeitenden innerhalb ihres Verantwortungs- und Aufgabenbereichs einen möglichst grossen Gestaltungsspielraum zu ermöglichen und Perspektiven aufzuzeigen», so Widmer. Dies sei bei Strukturanpassungen, wie sie aktuell in der Arbeitswelt oft zu beobachten sind, sehr wichtig. Die Begleitung und Integration neuer Leute in die bestehende Organisation oder eine «Job-Rotation» innerhalb eines Unternehmens ist eine geradezu prädestinierte Aufgabe für ein betriebliches Mentoring. Dieser spannende Prozess müsse, so Widmer, auf mehreren Ebenen begleitet werden: Da sind beispielsweise langjährige Mitarbeitende, die plötzlich eine jüngere und weniger erfahrene Führungsperson als Ansprechspartner haben, drei Führungspersonen, die sich als bereichsübergreifendes Team finden müssen, neue Schnittstellen, die angegangen und geklärt werden müssen, etliche gruppendynamische Themen, die beschäftigen und neue Kommunikationswege, die es zu finden gilt.
«Voraussetzung für ein betriebliches Mentoring ist eine unterstützende und von Wertschätzung geprägte Grundhaltung», ergänzt Widmer. «In diesem von Vertrauen geprägten Umfeld kann jede/r Mitarbeitende seine Stärken leben und die Organisation profitiert mit.» So ist bei ihr und ihren beiden Geschäftsleitungs-Partnern vor Jahren der Entschluss gereift, in Pionierarbeit bei der Lernwerkstatt Olten den Lehrgang zum/zur Betriebl. Mentor/in mit eidg. Fachausweis zu konzipieren und anzubieten. «Mit unseren SVEB-Zertifikatsabschlüssen Praxisausbilder/in oder Kursleiter/in setzen wir bereits einen wichtigen Grundstein für betriebliche Mentorinnen und Mentoren, die sowohl als Trainer, Berater und Coach arbeiten. 2014 anerkannte das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI den neuen Berufstitel «Betriebliche/r Mentor/in mit eidgenössischem Fachausweis» offiziell an.
Regina Widmer im Interview
Wir wollten von Regina Widmer noch etwas mehr aus ihrem Alltag wissen und haben Sie zum Lehrgang Betriebl. Mentor/in befragt.
Regina Widmer, welche Aufgaben kommen vor dem Start, während und nach dem Lehrgang auf Sie zu?
Regina Widmer: Vor dem Kursstart beantworte ich weiterführende Fragen von Interessierten und arbeite dabei eng mit der Kursadministration in Olten zusammen. Die zuständigen Mitarbeitenden übernehmen auch die Einsatzplanung der Kursleitenden, organisieren Informationsanlässe und -events. Während des Lehrgangs hospitiere ich regelmässig auch den Unterricht und komme so in Kontakt mit unseren Teilnehmenden. So erfahre ich von deren Bedürfnissen und Anliegen, die wir dann mittels Optimierungen wieder in die Konzepte einfliessen lassen. Und sind die Lehrgänge abgeschlossen, so feiere ich zusammen mit Kursleitenden und Teilnehmenden die Lernwerkstatt-Zertifikatsabschlüsse und danach die Fachausweis-Übergabe der Prüfungsträgerschaft.
Sie sind mit vielen Unternehmen sehr gut vernetzt. Wie erkennen Sie die Bedürfnisse der Firmen für den Lehrgang Betriebl. Mentor/in mit eidg. Fachausweis? Wie setzen Sie diese im Lehrgang um?
Regina Widmer: Unser Key Account Management leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. Durch regelmässige Besuche vor Ort erfahren wir von deren Bedürfnissen. Auch führen wir vermehrt Inhouse-Weiterbildungen in Coaching und Mentoring durch. Durch meine eigene Beratungspraxis bin ich ebenfalls am Puls der Firmenbedürfnisse.
In welchen Branchen ist der Betriebl. Mentor/in bereits sehr etabliert?
Regina Widmer: Generell innerhalb der Personalentwicklungsabteilungen – und das unabhängig der Branche. Es besteht grosses Interesse in der Arbeitsintegrationsarbeit, in der Führungsarbeit und ergänzend in Richtung Coaching. Wir haben auch in unseren Coaching-/Mentoring-Angeboten einen heterogenen Teilnehmerkreis aus den unterschiedlichsten Branchen. Die Teilnehmenden kommen unter anderem auch aus dem Gesundheits-, Pflege- und Betreuungsbereich, aus dem Strafvollzug, aus der Versicherungs-/ Finanzdienstleistung, Verwaltung und auch aus Gewerbe und Industrie.
In welchen Branchen hat sich das Angebot bezüglich Betriebl. Mentor/in noch nicht etabliert? Wo sehen Sie aber diesbezüglich ein Potential und eine grosse Nachhaltigkeit?
Regina Widmer: Ich sehe für den betrieblichen Mentor / die betriebliche Mentorin vor allem ein grosses Potenzial bei den innerbetrieblichen eigenständigen Begleitungspersonen zur Unterstützung für und von Führungskräften. Und somit komme ich zurück auf meinen eingangs erwähnten Bezug zum ursprünglichen Berufsbild des BETRIEBLICHEN Mentors. Ich bin überzeugt, dass wir noch vermehrt Fach- und Führungspersonen mit Mentoring-Know-how und einer verinnerlichten Coachinghaltung in den Betrieben selber brauchen. Direkt vor Ort – am Ort des Geschehens.
Betriebliches Mentoring auf dem Vormarsch
Betriebliche Mentorinnen und Mentoren haben die vielseitige, spannende und herausfordernde Aufgabe, Menschen in ihrer Arbeitswelt, in ihren Lern-, Veränderungs- und Entwicklungsprozessen zu begleiten und zu fördern. In erster Linie geht es auch darum, dass ein Betrieblicher Mentor / eine Betriebliche Mentorin die Personen im Unternehmen ganzheitlich begleitet und die «Tools» einer Trainerin / eines Trainers und Coachs verwendet sowie als Beratungsperson agiert. Die Mentorinnen und Mentoren begleiten in der Organisation, in der sie angestellt sind, Einzelpersonen in deren Arbeits- und Berufsfeld bei Lern-, Veränderungs- und Entwicklungsprozessen. Dabei haben sie den betrieblichen Nutzen im Fokus.