Wird im Schweizer Ausbildungssystem zu wenig auf die Anfordernisse der Zukunft vorbereitet? Ist die Ausbildung und somit die Vorbereitung auf die Arbeitswelten der Zukunft mit der digitalen Transformation in der Schweiz noch zeitgemäss? Dieser Frage gehen Futuristen auf den Grund.
In einem Interview in der Handelszeitung wurde der Futurist und Zukunftsforscher Gerd Leonhard – eine Kapazität auf diesem Gebiet – mit folgenden Sätzen zitiert, die es in sich hatten: «Erfolg ist immer eine Frage der Kultur. Und hierzulande gilt oft: Sei auf Sicherheit bedacht, wage dich nicht zu weit vor. Dabei wäre etwas mehr Biss und Aggressivität gut. Das gilt vor allem, weil in den kommenden Jahren viele Jobs verschwinden werden und wir gezwungen sind, neue Jobs zu erfinden. Viele Inhalte im Schweizer Ausbildungssystem sind sicherlich von gestern. Es geht oft um Fähigkeiten, die gut sind, aber sicherlich nicht dazu geeignet, zum Beispiel eine eigene Firma zu starten.»
Neues Denken für die Ausübung neuer Berufe
Das sind sicherlich harte Aussagen. Welche Fähigkeiten werden demnach also in Zukunft noch mehr gefragt sein? In sieben bis zehn Jahren kämen wir an den Punkt, an dem Maschinen viele der logischen Fähigkeiten des Menschen beherrschen, sagen die Fachleute. Analysieren und komplexe Entscheide durch Computer zu treffen, ist dann möglich. Gerd Leonhard weiter im besagten Interview: «Kognitive Fähigkeiten, die zurzeit noch den Menschen vorbehalten sind – wie etwa das Kombinieren –, die beherrscht der Computer bis dahin. Doch der Teil, den Computer wohl niemals wirklich lernen können werden, nämlich einen biologischen Körper zu haben, zu existieren und zu fühlen oder Geschichten zu entwickeln oder Dinge, die es noch nicht gibt, oder Fantasie zu haben – oder aber Kreativität: Das wird jener Teil sein, der wichtiger sein wird, weil er uns als Menschen von den Maschinen unterscheidet.» Auch wir haben mit dem bekannten Futuristen und Zukunftsforscher einige Monate zuvor gesprochen. Schon früh sagte er, dass der Trend sich dahingehend entwickle, indem sich Berufsleute der Zukunft sich «fast von selbst ein Profil geben» und ihre Fähigkeiten gezielt in Projekten zum Einsatz kommen. «Die Energiewende spielt da eine grosse Rolle und auch der Weg vieler Gemeinden und Städte zur 2000 Watt-Gesellschaft. Supervisoring bleibt im Trend und wird nach wie vor von Menschen besser erledigt werden können als von den intelligentesten Maschinen. Bei allem, was mit emotionaler Intelligenz und nicht nur mit Big Data-Input zu realisieren sein wird, werden wir als Berufsmenschen einen Vorsprung gegenüber Maschinen haben.» Leonhard weiter: «Wir in der Schweiz sind so stark in der Zukunftsforschung aber irgendwie auch sehr traditionell, veranlagt. Auch in den Arbeitswelten», sagt er. Viele dieser «neuen Berufe», die in der Welle der Automatisierung und Digitalisierung und besonders im Naturschutz-, Cleantech- und Umwelt-/Energie-Bereich hervorkommen, haben es aber in sich: Fachkenntnis und Vielseitigkeit sind Voraussetzungen für die Ausübung dieser neuen Berufe, aber besonders wichtig ist für Berufsleute in den «neuen Berufen» die vielen erworbenen Fähigkeiten zu verknüpfen. Man spricht sogar in Fachkreisen bei den Zukunftsforschern von «neuem Denken statt neuen Berufen».
Abhilfe durch Lehrgänge mit gezielter Ausrichtung
Was bedeutet dies also für die Aus- und Weiterbildungsbranche? Diese reagiert auf die Trends mit Angeboten, welche die Fähigkeit zum «neuen Denken und Verknüpfen» fördern. So bietet beispielsweise die Lernwerkstatt Olten an sieben Standorten den noch jungen Abschluss «Betriebl. Mentor/in mit eidg. Fachausweis» an. Diese Ausbildung befähigt die Absolventen kompetent als Berater/in, Coach und Trainer/in tätig zu sein und das Unternehmen als ganzheitliche, sich stetig entwickelnde Organisation wahrzunehmen. Also auch bei der digitalen Transformation zu begleiten. Regina Widmer, welche das Angebot bei der Lernwerkstatt Olten entwickelt hat, sagt: «Klassische Führungsmodelle haben ausgedient, und die Begleitung der Mitarbeitenden zu mehr Autonomie verlangt nach Führung auf Augenhöhe. Betriebl. Mentoren/Mentorinnen arbeiten professionell mit dem Potenzial jedes/jeder Einzelnen und fördern vorab auch die Selbst- und Sozialkompetenz.»
Handlungsorientiertes Unterrichten gefordert
Es braucht also neben den öffentlichen, universitären Angeboten in der Aus- und Weiterbildung auch jene der Privaten, der Höheren Fachschulen, die mit Engagement, Initiative und Innovation punkten und praxisnah unterrichten. Insbesondere müssen Dozierende auch befähigt werden mit der Digitalisierung Schritt zu halten und digitale Medien gewinnbringend und den Lernprozess unterstützend in den Unterricht einzubinden. Die Lernwerkstatt Olten, spezialisiert auf die Ausbildung von Ausbildenden, baut ihr Angebot in diesem Bereich stark aus und bündelt es unter www.digital-training.ch. Daniel Herzog, Geschäftsführer der Lernwerkstatt Olten ist überzeugt: «Die Digitalisierung wird auch das Lernen verändern. Klassischer Präsenzunterricht gibt es weiterhin. Wird die neue Technik methodisch geschickt genutzt entsteht dadurch aber ein grosser Mehrwert.»
Höhere Fachschulen springen ein
Eine wichtige Rolle nehmen die Fachhochschulen und die Höheren Fachschulen ein. In der innovationsstarken Schweiz bereiten Höhere Fachschulen wie beispielsweise die TEKO Basel Studierende auf ihre künftigen Aufgaben vor. Nicht zuletzt sind es die Höheren Fachschulen, welche Ausbildungen anbieten, die sich an die Arbeitswelten 4.0 der Zukunft orientieren. TEKO Basel Schulleiterin Terry Tschumi: «In einigen Berufszweigen ist ein Fachkräftemangel abzusehen, beziehungsweise, es werden neue Berufsbilder mit neuen Kernkompetenz-Anforderungen geschaffen. Bildet man sich in Berufen mit grosser Nachfrage, hat man gute Zukunftsaussichten. In einer Zeit der Globalisierung und Innovation müssen Mitarbeitende Kenntnisse und Kompetenzen laufend aktualisieren, um arbeitsmarkt- und konkurrenzfähig zu bleiben.»
Der Hauptgrund in der Aktualität der Höheren Fachschulen liegt folgerichtig in der laufenden Anpassung der Lehrgänge an die neuesten Entwicklungstrends sowie im hohen Praxisbezug. Dies bestätigt auch Arthur Schärli, Leitexperte SBFI für Qualitätsmanagement an Fachschulen: «Der Stellenwert der Höheren Fachschulen ist gestiegen. Das handlungsorientierte Unterrichten ist nicht nur im Trend, sondern auch gefordert. Der fachlich-sachliche Unterricht ist die Basis, aber der Praxisbezug muss eindeutig da sein. Diese Schulen machen hier dabei eine vorbildliche Arbeit.» Der Erfolg der Höheren Fachschulen basiert letztendlich also darauf, dass man sich dank einer strategisch richtigen Weiterbildungsentscheidung für die Berufe der Zukunft fit machen kann. Terry Tschumi abschliessend: «Ein HF-Studium erfolgt bei der TEKO nebenberuflich – so können Studierende Beruf und Weiterbildung vereinen. Aufgrund der während des Studiums praxisorientiert erlernten Kompetenzen ist man nach dem Abschluss in der Lage das Erlernte umzusetzen und somit eine begehrte Fachkraft.»