Thomas Schmidt ist gehörlos. Und er lässt sich zum Betrieblichen Mentor mit eidgenössischem Fachausweis ausbilden. Er wird somit einer der wenigen gehörlosen Betrieblichen Mentoren in der Schweiz sein und darf sich sicher sein, dass seine Expertise in- und ausserhalb seiner direkten Zielgruppe viel Wert sein wird.
Die Jobs im Bereich des betrieblichen Mentorings erleben seit einigen Jahren einen Aufschwung. Das Bedürfnis zeigt sich nicht nur an der steigenden Anzahl Teilnehmender an den Weiterbildungen auf diesem Fachgebiet, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt, wie die Lernwerkstatt Olten als eine der führenden Weiterbildungsanbieter bestätigt: In der Komplexität der heutigen Arbeitswelt würde von Personen mit beratenden Funktionen, von Coaching-Fachleuten und Trainerinnen und Trainern sehr viel verlangt. In den Betrieben sei deshalb das Mentoring ein zentrales Thema geworden, wenn es darum ginge, innerbetrieblich Menschen auf einer beruflichen Etappe zu begleiten. Denn Mentoring ist mehr als Coaching. Bei den mehrschichtigen und vernetzten Aufgaben innerhalb der modernen Arbeitswelt ist dies nicht verwunderlich.
In der Arbeitswelt von heute wird Inklusion grossgeschrieben und Fachpersonal ist überall gefragt. Auch bei der Gebärdensprachgemeinschaft. Dafür setzt sich der Schweizerische Gehörlosenbund SGB-FSS erfolgreich ein. Und so wird Thomas Schmidt die Weiterbildung zum Betrieblichen Mentor bei der Lernwerkstatt Olten viele Perspektiven öffnen. Wir haben mit dem künftigen Mentoring-Fachmann gesprochen.
Thomas Schmidt, Sie sind aktuell in der Weiterbildung zum Betrieblichen Mentor. Als Gehörloser werden Sie ein Pionier auf diesem Gebiet sein. Ihr Ziel ist, Mentoring für Gehörlose anzubieten. Wie schätzen Sie das Bedürfnis bei der Zielgruppe ein und welches Potenzial und welchen Mehrwert hat das Angebot Betriebliches Mentoring für Gehörlose?
Thomas Schmidt: Mein Ziel ist primär für die gehörlosen Menschen – genauer der Gebärdensprachgemeinschaft – Mentoring anzubieten. Das Angebot kann beispielsweise Coaching, Expertenberatung oder auch individuelle Trainings in der beruflichen Entwicklung am Arbeitsplatz umfassen. Heute leben wir im beruflichen Umfeld und im Privaten in einer grösseren Dynamik von immer schneller werdenden Veränderungen, Unsicherheiten, Mehrdeutigkeit und einer grösseren Komplexität. Für den Einzelnen wie auch für Organisationen ist dies eine ernstzunehmende Herausforderung. Meine Motivation ist insbesondere den gehörlosen Menschen in ihrer beruflichen Entwicklung zu helfen und sich angesichts der künftigen beruflichen Dynamik stärker und widerstandsfähiger zu positionieren. Zu den Mehrwerten meines Angebots des Betrieblichen Mentorings für gehörlose Menschen zählen die Gebärdensprache und mein persönlicher Hintergrund, da ich selbst gehörlos bin. Ich kenne die Kultur in der Gehörlosen-Gemeinschaft genau. Mein Mentoring- und Coaching-Angebot kann aber auch für «Nicht-Gehörlose» interessant sein.
Wie sollen Sie Mentoring im beruflichen Setting anwenden und anbieten? Beziehungsweise wie wird Ihr Vorgehen sein im Berufsalltag mit Gehörlosen?
Ich werde Mentoring als Selbstständiger oder als Eigentümer einer neu zu gründeten Organisation anbieten. Ich begleite Einzelpersonen – meist gehörlose Menschen – in ihrem Arbeitsumfeld bei Lern-, Veränderung- und Entwicklungsprozessen. Es geht darum, dass die gehörlose Person als meine Kundin oder mein Kunde bei der Arbeit und im Umfeld Kompetenzen, zur Stärkung persönlicher Ressourcen und Zufriedenheit entwickelt und so einen betrieblichen Nutzen hat. Der Auftrag kann von einer Person oder von einem Unternehmen kommen. Wir bearbeiten Herausforderungen in der Entwicklung des beruflichen Settings, wie Selbstorganisation oder die Ausübung von grösserer Selbstverantwortung. Es können aber auch gezielt interkulturelle Aspekte, wie unterschiedliche Kommunikation und Kulturen, bearbeitet werden.
Welche Unterschiede werden im Bereich des Lernsettings und der Konzeption zu beachten sein im Vergleich zum betrieblichen Mentoring für «Nicht-Gehörlose»?
Ich bin in der Anfangsphase der Weiterbildung und kann noch zu wenig unterscheiden. Mein Begleitungskonzept wird sich mit systemischer und lösungsorientierter Beratung und Coaching befassen. Erste Erkenntnisse habe ich in den systemischen Fragestellungen, im Vorgehen und in der Anwendung der Coaching-Tools. Es liegt auch an mir selbst, in welcher Art und Vorgehensweise ich die Prozesse begleite und wie ich die Fragen in Gebärdensprache stelle. Ich werde im Laufe der Weiterbildung weitere Unterschiede erkennen.
Was haben Sie für sich ganz persönlich während der Ausbildung gelernt und wovon konnten Sie während der Weiterbildung am meisten profitieren?
Ganz persönlich habe ich über meine Persönlichkeit, meiner Haltung den Menschen gegenüber und über Konstruktivismus spürbar viel gelernt. Das hat mir auch eine neue Dynamik gegeben. Von der aktuellen Weiterbildung bei der Lernwerkstatt Olten habe ich profitiert, indem ich die Bestätigung bekommen habe, meinen Beruf nach meinen Bedürfnissen neu orientieren zu wollen und dies kürzlich auch so in Gang gesetzt habe.
Die Jobs im Bereich des betrieblichen Mentorings erleben seit einigen Jahren einen Aufschwung. Im Bild eine Klasse auf dem Weg zum Abschluss «Betriebl. Mentor/in mit eidg. Fachausweis» bei der Lernwerkstatt Olten.