Erlebnispädagogik hat in der Erwachsenenbildung eine grössere Bedeutung als je zuvor. Denn ein gemeinsames Erlebnis hat viele positive Effekte. Selbstwirksamkeit, Kompetenzerwerb oder psychosoziale Gesundheit. Von diesen positiven Nebenerscheinungen profitieren auch Studierende und Seminarteilnehmende während ihrer Weiterbildung.
Einst prägte der grosse Philosoph René Descartes im Zusammenhang mit dem Grundsatz des Zweifelns an der eigenen Erkenntnisfähigkeit den folgenden Satz: Cogito ergo sum (lateinisch für «Ich denke, also bin ich.»). In der Erwachsenenbildung gilt mittlerweile jedoch der Grundsatz «Ich erlebe, also bin ich». Denn über und durch das Erleben positiver und einprägsamer Emotionen lässt sich nicht nur effizient unterrichten, sondern auch einen besseren Lernerfolg erzielen. Und wer kennt sie nicht, die schönen «Weisch no»-Momente im Beisammensein mit ehemaligen Studien-Gspänli oder im Freundeskreis? Positive Emotionen und Erlebnisse prägen wir uns besonders ein und dies nicht etwa nur im Privaten oder im Berufsleben. Natürlich macht dieses Phänomen der starken Erinnerungsfähigkeit an positive oder emotionale Erlebnisse auch nicht dort Halt, wo es um Lernerfolge geht.
Erleben in der digitalisierten «Arbeitswelt 5.0»
Effizient ist Erlebnispädagogik auch aus anderen Gesichtspunkten: Technisch-produktive Veränderungen führten in vielen beruflichen Bereichen zu einem inhaltlich veränderten Anforderungsprofil. Komplexität und Abstraktionsgrad der beruflichen Tätigkeit stiegen ebenso, wie das für die Erledigung der Arbeitsaufgabe erforderliche Wissen. Speziell im Zeitalter der «vierten Industriellen Revolution» mit der voranschreitenden Digitalisierung und der Entwicklung hin zu den «Arbeitswelten 5.0». Lernerfolge und Umsetzungskompetenzen über ein Erlebnis zu unterstützen liegt somit nahe und erweist sich als effizient. Und so kann sich demnach kein Weiterbildungsinstitut diesem Trend verschliessen. Eine Pionierarbeit leistete hier die Lernwerkstatt Olten (LWO), wo in einigen Ausbildungen und Lehrgängen das Erlebnispädagogische fester Bestandteil des Lernprogramms ist. Wir haben mit Marina Schlosser gesprochen. Sie ist seit über zehn Jahren bei der LWO in den Bereichen Gruppendynamik und Gesprächsführung tätig. «Als Familientherapeutin und Supervisorin macht es mir grossen Spass, die individuellen Entwicklungs- und Lernprozesse unserer Teilnehmenden in einer Gruppe zu begleiten.» Es sei grossartig zu sehen, wie die Teilnehmenden (selbst-) sicherer und souveräner mit sich umgehen und Prozesse, die in Gruppen stattfinden, erkennen und nutzen können, so Marina Schlosser. «Sie profitieren gleichermassen für sich als Person als auch für den geschäftlichen Kontext.»
Frau Schlosser, der Bereich Erlebnispädagogik nimmt in der Weiterbildungsbranche einen immer grösseren Platz ein. Was man erlebt oder selber umzusetzen vermag erzeugt einen hohen Lerneffekt. Wo liegt das Geheimnis des Erfolgs beim Konzipieren, Planen und Durchführen eines erlebnispädagogischen Events?
Marina Schlosser: Die Fähigkeit, Gruppenprozesse zu erkennen und adäquat zu intervenieren ist eine der wichtigsten Fähigkeiten als Erwachsenenbildner/in und Führungskraft. Wenn man in Teams etwas bewegen will, ist Prozesskompetenz im Umgang mit Gruppen gefragt. Die Arbeitsfähigkeit von Gruppen entwickelt sich dann am besten, wenn Einzelne in der Gruppe maximale Selbstwirksamkeit erfahren. Es muss ein hoher Grad am Selbststeuerung der Gruppe erreicht werden und das gemeinsame Gruppenziel soll nicht aus dem Fokus geraten. Genau das kann die Gruppendynamik in der Erlebnispädagogik am allerbesten bieten.
Braucht es denn eine konstante Steuerung der gruppendynamischen Prozesse?
Marina Schlosser: Gruppendynamische Prozesse können bremsen oder aber Innovationen geradezu beflügeln. Gerade in agilen Arbeitsformen wird zwar selbstorganisiertes Teamarbeiten vorausgesetzt, aber häufig werden Teams ihren Dynamiken überlassen. Um die Potentiale von Teams nutzen zu können, braucht es Wissen, Erfahrung und Handwerkszeug. Hierfür bietet die Gruppendynamik die passende Lern-Antwort.
Welche neuen Erkenntnisse sind aktuell besonders interessant in Bezug auf die Erlebnispädagogik in der Weiterbildungsbranche?
Marina Schlosser: Erlebnispädagogik kann als Gegenpool zu E-Learning und Blended-Learning betrachtet werden und ist somit auch eine gute und sinnvolle Ergänzung in einer vielseitigen Lern-Palette. Während früher Lernen vermehrt als ein individueller Prozess gesehen wurde, weiss man heute, wie wichtig das Lernen in, mit und von der Gruppe ist. Es versorgt Lernende mit integrativen Kompetenzen, die gerade in einer schnelllebigen Zeit zunehmend wichtiger werden. Besonders dann, wenn aus immer neu wechselnden Gruppen arbeitsfähige Teams werden sollen. Anknüpfend an erlebnispädagogische Theorien gehen wir davon aus, dass die Neuartigkeit der Erfahrungen, die erfolgreiche Selbstüberwindung, das Kompetenzerleben und die Qualität der Einbindung in die Gruppe zentrale Erfolgsbedingungen darstellen.
Sie betreuen einige Angebote in diesem Fachgebiet. In welchen Settings kann man sich bei der Lernwerkstatt im Bereich Gruppendynamik weiterbilden?
Marina Schlosser: Wir wollen bei der Lernwerkstatt Olten nach wie vor unsere aussergewöhnlichen Produkte «Lernen an besonderen Lernorten» fördern. Zum Beispiel das Gruppendynamik-Seminar in Form eines Kameltrekkings in Marokko oder bei einem Segeltörn in Holland. Es gibt aber auch viele Angebote in der Schweiz in einem Seminarhotel oder Kloster oder auf der Alp.
Positive Emotionen und Erlebnisse prägen wir uns besonders ein. Dies unterstützt den Lernerfolg nachhaltig.