Swissfuture – die Schweizerische Vereinigung für Zukunftsforschung – hat das Hoffnungsbarometer 2020 publiziert. Die Interpretation der Resultate lässt viel Spielraum, aber generiert genauso viele Erkenntnisse.

Das Hoffnungsbarometer wird seit 2009 jährlich für das kommende Jahr in einer grossen Internet-Umfrage mit Unterstützung der Tageszeitung 20 minuten erhoben. Beginnend in der Schweiz wird die Umfrage in Zusammenarbeit mit renommierten Universitäten mittlerweile auch in Australien, Kolumbien, der Tschechischen Republik, Frankreich, Indien, Israel, Italien, Malta, Nigeria, Polen, Portugal, Spanien und Südafrika durchgeführt. Befragt wurde die Öffentlichkeit über ihre Zufriedenheit und Zukunftserwartungen in verschiedenen Bereichen, über langfristige gesellschaftliche Trends und Szenarien, über ihre persönlichen Hoffnungen, über die Quellen von Hoffnung, über ihr persönliches und soziales Wohlbefinden sowie über die erlebte soziale Unterstützung.

Hoffen auf (noch) bessere Entfaltungsmöglichkeiten und gute Perspektiven

Die Haupterkenntnisse kann man gemäss den kommentierenden Expertinnen und Experten folgendermassen zusammenfassen (Quelle: Swissfuture): Auf der einen Seite bieten der aktuelle Wohlstand, das hohe Ausbildungsniveau sowie die gesellschaftlichen Institutionen wie die Wissenschaft, die Wirtschaft und die Demokratie dem einzelnen Menschen nach wie vor gute Rahmenbedingungen für neue Entfaltungsmöglichkeiten und somit für ein hoffnungsvolles und erfülltes Leben. Es gibt jedoch ein «Aber»: Eine Mehrheit der Bevölkerung verbindet mit den globalen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Trends vor allem negative Erwartungen an die Zukunft. Diese negativen Erwartungen zeigen einen offensichtlichen Zusammenhang mit einem verminderten (sozialen) Wohlbefinden der Menschen. Trotz scheinbar schwierigen Zukunftsperspektiven in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen, bleibt jedoch die Mehrheit der Bevölkerung hoffnungsvoll und optimistisch in Bezug auf ihr eigenes Leben.

Drang nach sinnvollen Aufgaben im Leben

Ein wesentlicher Faktor zur Aufrechterhaltung von Hoffnung und Zuversicht ist die empfundene Verbundenheit und Unterstützung im Rahmen des unmittelbaren sozialen Umfelds. Die wesentlichen Hoffnungen der Bevölkerung beziehen sich auf eine gute persönliche Gesundheit, auf ein harmonisches und ausgewogenes Leben, auf gute soziale Beziehungen zur Familie und zu Freunden sowie auf eine sinnvolle Aufgabe im Leben.

Die bedeutsamsten Quellen von Hoffnung finden die meisten Menschen in der Beziehung zur Natur, in guten sozialen Beziehungen, in der persönlichen Selbstwirksamkeit und Motivation sowie in Erfahrungen gegenseitiger Hilfsbereitschaft. Somit wünscht sich eine Mehrheit der Bevölkerung eine «grünere» und harmonischere Gesellschaft, in der der Schwerpunkt auf Zusammenhalt, Gemeinschaft und Familie gelegt wird.

Ängste, aber auch Hoffnungen beim Thema Digitalisierung

Nicht unwichtig: Viele hoffen auch auf die neue Realität bezüglich der Arbeitswelten 4.0 und 5.0 und was die Digitalisierung mit sich bringt im sozialen und beruflichen Umfeld. Auch hier ist zu beobachten, wie sich die Gegensätze (Ängste und Hoffnungen, Chancen und Risiken) nicht ausschliessen. Einerseits schwingt die Angst mit, dass Arbeitsplätze verloren gehen, doch auch weiss man um die Tatsache, dass neue Jobprofile kreiert werden und neue entstehen. Dies bestätigt auch Daniel Herzog, Geschäftsführer der Lernwerkstatt Olten: «Wir beobachten, dass die Ausbildung zum Betrieblichen Mentor / zur Betrieblichen Mentorin immer mehr nachgefragt wird. Unternehmen investieren in Fachleute, die Mitarbeitende für die Zukunft fit machen und sie zu mehr Selbstverantwortung und Autonomie begleiten.»

Eine kürzlich publizierte Studie der Konjunkturforschungsstelle KOF zeigt auf, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Arbeitsplätze in der Schweiz hat: Investiert zum Beispiel eine Firma 100’000 Franken in die Digitalisierung, erhöht sich die Anzahl Stellen im Betrieb um 1.6. Dabei zeigt sich, dass sich auch die Qualifikation der Belegschaft verändert. Während mehr neue Stellen für hoch qualifizierte Arbeitskräfte entstehen, fallen für Niedrigqualifizierte Jobs weg. Laut der Studie ist es jedoch nicht nur wichtig, dass ein Betrieb in die Digitalisierung investiert, sondern auch auf welche Art von Technologie gesetzt wird. Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt auch economiesuisse: Die Auswertungen zu den Beschäftigungszahlen in der Schweiz zeigen, dass in Branchen, in denen viel entlassen, auch viel eingestellt wird. Kommt es in einem Sektor zu überdurchschnittlich vielen Unternehmensschliessungen, entstehen in dieser Branche per Saldo fast immer mehr Stellen. Die im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Firmenschliessungen und Restrukturierungen sind also nicht einzig und allein als Alarmsignal zu interpretieren, sondern als Teil der Arbeitsmarktdynamik und des Strukturwandels zu verstehen. Generell kann man aber auch bei der Lektüre des Hoffnungsbarometers 2020 folgendes sagen: In Bezug auf die Rolle und die Möglichkeiten des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts zur Verbesserung der Lebensqualität sind die Ansichten gespalten.

Stark an Bedeutung gewonnen hat der Drang nach den «Sinnstiftenden Berufenۛ». Daniel Herzog ist überzeugt: «Menschen arbeiten, um etwas zu bewirken. Niemand schätzt es, ein fremdbestimmtes Rädchen im Getriebe der Unternehmen zu sein. Deshalb ist die Sehnsucht nach Sinn in der Arbeit so gross. Diesen Sinn suchen und finden viele Personen in ihrer Tätigkeit als Ausbilder/in, Coach oder Betriebl. Mentor/in».

So hat sich auch der Fokus leicht gewandelt, wenn es um die «Treiber» für gute Leistungen in der Arbeit und starke Identifikation mit dem eigenen Wirken geht. Der Lohn ist also kein Hauptbestandteil mehr. Perspektiven, Karrierechancen, das Arbeitsklima und das Weiterbildungsangebot gewinnen an Bedeutung.