Wie kann die Personalentwicklung auch in Zukunft einen entscheidenden Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten? Und in welche Richtung muss sie sich entwickeln? HR- und Personalfachleute haben dazu eine Einschätzung gemacht.
Der Blick in die Personalentwicklungsabteilungen bringt es an den Tag: Die Schere öffnet sich. In vielen, vor allem grösseren Unternehmen wird auf sehr professionellem Niveau gearbeitet. Oft aber findet Personalentwicklung gar nicht statt. Oder sie beschränkt sich auf die Ausarbeitung eines jährlichen Programms, beispielsweise mit Angeboten für Führung, Arbeitstechnik oder Kommunikation.
Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels kommt aber einer strategisch aufgestellten Personalentwicklung in Zukunft eine noch grössere Bedeutung zu. Sie kann einen grossen Beitrag leisten, um hervorragende Mitarbeitende zu finden, im Unternehmen zu halten und weiterzuentwickeln.
Wo soll man dabei aber die Schwerpunkte setzen? Der Autor dieses Artikels hat mit HR- und Personalfachleuten aus der Gesundheits-, Finanz-, Beratungs- und Bildungsbranche gesprochen und ihre Aussagen hier zusammengetragen.
Strategisch denken
Die Personalentwicklung sollte einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Es gilt, strategisch zu denken. Dazu ist der direkte Zugang zur Geschäftsleitung nötig. Klären Sie mindestens jährlich ab, welche neuen Geschäftsfelder, Märkte, Produkte, Technologien oder Prozesse in Zukunft aktuell werden, und leiten Sie daraus den Weiterbildungsbedarf ab.
Werte und Kultur
Gelebte Werte und eine stimmige Unternehmenskultur stärken ein positives Unternehmensimage. Dies erleichtert das Finden guter Mitarbeitender. Hier können HR und Personalentwicklung einen wesentlichen Beitrag leisten. Beispielsweise im Bereich des Corporate Behaviours. Dieses befasst sich mit der Frage, wie die Mitglieder des Kaders miteinander umgehen, wie das Verhältnis zwischen Kader und Mitarbeitenden ist, welchen Umgang die Mitarbeitenden untereinander pflegen und wie sich die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Kunden gestaltet.
Die Werte sollten in den Personalprozessen abgebildet sein. Das heisst, bereits bei der Rekrutierung sollen Kandidatinnen und Kandidaten bevorzugt werden, welche die Werte des Unternehmens teilen. Der Zielvereinbarungsprozess und das Beurteilungssystem sollten auf den Werten aufbauen. Wert- und Kulturarbeit ist ein Bereich, wo Personalentwickler/innen einen wesentlichen Beitrag leisten können.
Linie unterstützen
Um die Linie umfassend zu unterstützen, könnten Sie mit jährlichen Workshops pro Bereich deren Weiterbildungsbedürfnisse abklären, Schlüsselpersonen und Talente identifizieren und deren Weiterentwicklung planen.
Die Personalentwicklungsfachpersonen bewegen sich auch immer weiter weg vom Wissensvermittler, hin zur Beraterin oder zum Coach. Anstelle der Führungsausbildung bietet man ein Führungscoaching an. Statt die Informatikausbildung selbst zu organisieren, verfügt man über geprüfte externe Anbieter, die man den Mitarbeitenden empfehlen kann. Grössere Firmen bewirtschaften einen eigenen Pool mit externen Trainern und Coaches, die man bei Ausbildungsbedürfnissen der Linie empfehlen kann.
Agil bleiben
Umfassende und sehr detaillierte Personalentwicklungskonzepte weichen immer mehr flexiblen Modellen. So können Sie schnell auf veränderte Bedürfnisse reagieren. Vielleicht lohnt es sich, einmal etwas auszuprobieren, zu evaluieren und weiterzuentwickeln, anstatt sich in der Konzeption zu verlieren. Die HR-Fachfrau aus dem Gesundheitsbereich berichtete beispielsweise von «learning eats», gemeinsamen Mittagessen von Deutsch und Französisch sprechenden Mitarbeitenden anstelle eines klassischen Sprachunterrichts.
Projekte begleiten
«Ich arbeite in gefühlt 50 Projekten mit», erzählt die Personalentwicklerin einer Kantonalbank. Damit bringt sie einen wichtigen Aspekt der modernen Personalentwicklung aufs Tapet. Es ist entscheidend, dass bei Projekten immer auch die Sichtweise des Personals berücksichtigt wird. Daher sollte die Personalentwicklung immer frühzeitig in Projekte eingebunden werden.
Individualisiertes Lernen ermöglichen
Lernangebote sollen dann zur Verfügung stehen, wenn neue Kompetenzen benötigt werden – kurz und von Ballast befreit. Tempo und Strategie der Know-how-Aneignung soll jede Person selbst steuern können. Hier gilt es, kurze Lernsnacks zur Verfügung zu stellen. Diese können selbst produziert werden oder auch von einer Bildungsplattform wie LinkedIn Learning stammen. Oder Sie befähigen die Mitarbeitenden, sich selbst Wissen anzueignen. Statt den Excel-Kurs zu besuchen, sucht sich die Person dann beispielsweise selbstständig im Web ein Tutorial, welches ihr die Anwendung einer bestimmten Auswertung erklärt.
Die Kompetenz, sich selbstständig Wissen anzueignen, muss oftmals zuerst entwickelt werden. Mitarbeitende sollen das Wissen, das sie aus dem Web oder von künstlichen Intelligenzen, wie ChatGPT, erhalten, kritisch beurteilen können.
Die Digitalisierung der Bildung öffnet hier zusätzliche Möglichkeiten, und individualisiertes Lernen wird vor allem auch in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung die Zukunft prägen.
Technologien nutzen
Was vor drei Jahren in den Köpfen vieler Personalentwickler/innen noch als Science-Fiction galt, ist mit der Coronapandemie innert Kürze möglich geworden: Mitarbeitende treffen sich für Weiterbildungen statt physisch im Seminarraum virtuell per Videokonferenzsystem.
Die Technologien werden sich rasant weiterentwickeln. Vorübergehend werden wir uns mit Virtual-Reality-Brillen noch wirklichkeitsnaher im Bildungsumfeld bewegen. Ein Bildungsanbieter im Bereich der Blaulichtorganisationen testet aktuell Augmented Reality: Mithilfe der Google-Lens-Technologie werden Unfallgeschehen virtuell mit der realen Welt verbunden, um so Ausbildungen zu ermöglichen, ohne grosse, reale Unfallszenarien aufbauen zu müssen. Die Übungen können beliebig wiederholt, angepasst, aufgezeichnet und analysiert werden.
Neue Technologien werden in Kürze weitere ungeahnte Möglichkeiten eröffnen, und rückblickend werden wir wahrscheinlich über den heutigen Stand der Technik schmunzeln. Als Personalentwickler/in gilt es, hier den Überblick zu behalten und zum richtigen Zeitpunkt aufzuspringen.
In einem ersten Schritt müssen Investitionen in Learning-Management-Systeme (LMS) budgetiert werden. Der grössere Teil der investierten Mittel wird aber für die Entwicklung digitaler und virtueller Lerninhalte benötigt.
Netzwerke bilden
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels geht ein Spitalzentrum einen spannenden Weg. Es kooperiert mit anderen Gesundheitsorganisation aus dem Bereich Langzeitpflege sowie der Spitex. Gemeinsam bieten sie Weiterbildungen an und ermöglichen Einsätze in den Partnerorganisationen, immer mit dem Ziel vor Augen, attraktive Entwicklungsmöglichkeiten und Perspektiven zu bieten und die Fachkräfte in der Branche zu halten.
Eigene Kompetenzen weiterentwickeln
Die beschriebenen Entwicklungen in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung verändern auch die Rolle der Personalentwicklungsfachpersonen. Kompetenzen als Berater/in, Coach und Mentor/in, aber auch Know-how im Bereich Digitalisierung, strategischem und betriebswirtschaftlichem Denken und Handeln sowie interkulturelle Kompetenzen ergänzen die bestehenden Anforderungen.