Resilienz ist in aller Munde und gilt als Modewort der heutigen Zeit. In vielen Themenbereichen gilt die Resilienz als Erklärung für die Widerstandsfähigkeit in Krisen, als Begründung für Standhaftigkeit bei hohen Belastungen oder als Ergebnis für das Erhalten der Lebensqualität in belastenden Lebenssituationen. Doch was steckt hinter – und vor allem – in diesem Konzept?
Resilienz ist ein faszinierendes und vielschichtiges Konzept. Es dient als Ressource und als Teil der inneren Haltung und Einstellungen gegenüber dem Wandel und den damit verbundenen Herausforderungen.
Was die Autorin im Vergangenen stärkte und im Gegenwärtigen festigt, ist:
- zu verstehen, dass die Resilienz immer in Abhängigkeit von Risiken, Widrigkeiten und Herausforderungen steht.
- zu erkennen, dass resilientes Verhalten ein dynamischer Prozess ist, der sich über ein ganzes Leben hinweg vollzieht und ich selber gestalten kann.
- zu erfahren, wie ich in herausfordernden Situationen meine Lebensqualität erhalten sowie die Lebensfreude bewahren kann.
Die Geschichte der Resilienzforschung
Der Begriff Resilienz wurde in den 1950er Jahren vom Psychologen Jack Block in die Psychologie eingeführt. Resilienz wird jedoch häufig mit dem Namen der US-amerikanischen Forscherin Emmy Werner und dem ihrer Kollegin Ruth Smith verbunden. Emmy Werner und ihr Team begleiteten über 40 Jahre lang knapp 700 Kinder, die 1955 auf der Hawaii-Insel Kauai geboren wurden. Knapp 1/3 dieser Kinder wuchsen unter äußerst schwierigen Verhältnissen auf: Armut, Krankheit der Eltern, Vernachlässigung, Gewalt in der Familie, Misshandlung, niedriger Bildungsstand der Eltern, etc. 2/3 dieser «Risiko Kinder» fielen als Jugendliche durch Lern- oder Verhaltensstörungen auf, wurden straffällig bzw. psychiatrisch auffällig. Gleichzeitig entwickelte sich 1/3 dieser Kinder erstaunlich positiv. Sie waren erfolgreich in der Schule, waren in das soziale Leben integriert und wiesen zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung irgendwelche Verhaltensauffälligkeiten auf. Die grundlegende Erkenntnis aus dieser und anderen Studien ist, dass ungünstige (Start-) Voraussetzungen nicht zwingend zu Elend und Misserfolg führen müssen. Resiliente Kinder (Erwachsene) verfügen über bestimmte Eigenschaften und Strategien, die es ihnen ermöglichen, an widrigen Umständen eben nicht zu zerbrechen. Der ursprünglich auf Kinder und Jugendliche gelegte Fokus der Resilienzforschung hat sich in der Zwischenzeit sehr stark in Richtung Erwachsenenalter (beispielsweise Belastungs-, Traumaverarbeitung), in die Arbeitswelt (resiliente Teams und Organisationen) sowie auf soziale Systeme ausgeweitet.
Resilienz als grundlegendes Anpassungssystem
Resilienz ist kein angeborenes und stabiles Persönlichkeitsmerkmal, welches gegen alle negativen Einflüsse und Geschehnisse «unverletzbar» macht. Vielmehr wird heute davon ausgegangen, dass die Resilienz ein grundlegendes Anpassungssystem darstellt, welches durch Umweltfaktoren gefördert oder eingeschränkt werden kann. Für das Verständnis von Resilienz ist es somit wichtig, die Interaktion des Menschen und seiner Umwelt miteinzubeziehen und diese nicht getrennt voneinander zu behandeln. Dies bedeutet, dass bei der Entwicklung und Förderung eines resilienten Verhaltens den Rahmenbedingungen wie Familie, Arbeit und persönliches Umfeld eine mindestens genau so grosse Bedeutung zukommt, wie der ressourcenorientierten Arbeit.
Um dieses Anpassungssystem und somit das resiliente Verhalten eines Menschen zu stärken und zu entwickeln, bewährt es sich in der resilienzfördernden Arbeit auf folgende vier Aspekte einen Schwerpunkt zu legen:
- dem Fördern eines positiven Selbstwertgefühls
- dem Ermöglichen von selbstwirksamen Handeln und Entscheiden
- dem Sichtbarmachen von Ressourcen und Kompetenzen
- dem Einbezug der Rahmenbedingungen Arbeit, Familie, Umfeld
Acht Kernkompetenzen zur Stärkung der eigenen Widerstandsfähigkeit
Neue Technologien, globale Vernetzung, soziale Medienkanäle, ständige Erreichbarkeit, eine Vielfalt an Entwicklungsmöglichkeiten usw. gehören genauso wie Umweltkatstrophen, Terror und Berichte von Krisen zu unserem Alltag. Schnelles Reagieren um sich den laufenden Veränderungen in der heutigen Zeit anpassen zu können verlangt vom Menschen eine hohe Präsenz, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Konzentration. Sind die einen durch diesen Wandel stark gefordert, fühlen sich andere unterfordert und gelangweilt und wünschen sich mehr Gestaltungsfreiraum und Autonomie.
Wie ist es nun möglich, das Konzept der Resilienz für sich in der heutigen sich stets wandelnden Gesellschaft nutzbar zu machen?
Ella Gabriele Amann und Anna Egger haben aufbauend auf dem Schutzfaktorenkonzept, den Ergebnissen von Langzeitstudien zur persönlichen Resilienz sowie den Forschungsergebnissen zur organisationalen Resilienz (vgl. Amann, Online-Handbuch für das integrative Resilienz-Zirkel-Training 2010-2017) den Resilienz-Zirkel und das damit verbundene Training entworfen. Sie legen den Fokus nebst dem Fördern der Selbstwirksamkeit und dem Einbezug der Rahmenbedingungen auf die Kernkompetenzen vom Menschen. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen kamen sie zu der Erkenntnis, dass nachfolgende Kompetenzen einen Menschen in anspruchsvollen Situationen widerstandsfähiger agieren lassen:
- Improvisation und Lernbereitschaft
- Optimismus, positive Selbst- und Fremdeinschätzung
- Akzeptanz und Realitätsbezug
- Lösungsorientierung und Kreativität
- Selbstregulation und Selbstfürsorge
- Selbstverantwortung und Gestaltungskraft
- Beziehungen, Wertschätzung und Kooperation
- Zukunftsgestaltung und Visionsentwicklung
Mehrwert Resilienz?
In welcher Ausprägung stehen mir die nach Ella Gabriele Amann und Anna Egger definierten Kernkompetenzen zur Verfügung? Was tue ich um kraftvoll durchs Leben zu gehen? Wie bleibe ich gesund und vital? Wie schaffe ich eine gute Balance zwischen Anspannung und Entspannung? Wie erhalte ich in anspruchsvollen Lebenssituation meine Lebensqualität hoch? Wie sieht es mit meiner Resilienz als Ausbildner, als Coach, als Führungsperson aus? Auf dem Weg der Antwortfindung kann es spannend, faszinierend und manchmal sogar wegweisend sein, ins Thema der Resilienz einzutauchen, ein persönliches Verständnis für diesen Begriff zu finden sowie die eigenen Kompetenzen und Ressourcen zu entdecken und für sich nutzbar zu machen.