Führungspersonen und Mitarbeitende haben immer wieder die Wahl zwischen verschiedenen Rollen. Jede und jeder kann im betrieblichen Alltag Mitarbeitende unterstützen und sich in dieser Unterstützungsrolle als Coach, Berater/in und Trainer/in professionalisieren.
Was unterscheidet die Rollen Coach, Berater/in und Trainer/in? Wie grenzen sich diese Rollen von jener der Führungsfunktion ab? Coaches begleiten und fördern individuell und professionell. Ziele von betrieblichem Coaching – und nur um dieses soll es hier gehen – sind stets, die Leistungsfähigkeit von Führungskräften und Mitarbeitenden zu erhalten oder zu steigern. Betriebliches Coaching leitet zur Selbsthilfe an, bietet keine Lösungen, sondern unterstützt bei der Lösungserarbeitung und Ergebnissicherung. Coaches führen sicher durch die einzelnen Coachingphasen und den gesamten Begleitungsprozess und wirken damit als innerbetrieblicher Karriereförderer.
Grenzen zwischen Coaching und Beratung fliessend
Fachliche Berater/innen stellen ihre Fachexpertise zur Verfügung und kennen mögliche Lösungen. Deshalb sind die Grenzen zwischen Coaching und Beratung fliessend. Coaches verfügen im betrieblichen Kontext ebenso über Expertise in einem Fachgebiet und können deshalb Coachees auch beraten. So kann beispielsweise eine Informatikerin einen Mitarbeitenden coachen und wenn es um IT geht auch beraten. In erster Linie sind professionelle Coaches jedoch Fachleute für individuelle Entwicklungsprozesse und betriebliches Karrieremanagement und können in Bezug auf diese beraten. Sie unterstützen Coaches entsprechend in der Selbstreflexion oder der Wahrnehmung bzw. Interpretation von Gegebenheiten.
Trainer und Trainerinnen indessen, sind per se keine Coaches. Sie setzen stufengerecht Ziele, planen mit methodisch -didaktischem Know-how Trainingssequenzen, setzen diese um und überprüfen die Zielerreichung. Training strebt immer auf (fremd)bestimmte Lösungen zu, die gemeinhin als richtig angesehen werden. Auch wenn Teilnehmende Lernziele selbst wählen, denn die Optionen sind auf der Grundlage eines State of the Art vorgegeben. Coaching dagegen ist lösungsoffen und selbstbestimmt. Jedoch greifen auch die Rollen von Trainer/in und Coach ineinander oder sie überschneiden sich. Wenn zum Beispiel Training die Lösung eines Problems bringt, kann – bei entsprechender Eignung – auch ein Coach das Training übernehmen.
Bedeutung von Macht beim Rollenwechsel
Was die Rolle Coach von der Führungsrolle deutlich unterscheidet, ist der Aspekt der Macht. «Professionell agierende Coaches üben keine Macht aus», sagt Regina Widmer. «Wertschätzung, Empathie und Akzeptanz von anderen Ansichten und Werten gehören ins Portfolio eines professionellen Coachs.» Widmer ist Mitglied der Geschäftsleitung der Lernwerkstatt Olten (LWO), Organisationsberaterin und Coach BSO. Sie verzichtet als Coach bewusst darauf, «ihren Willen auch gegen Widerstand durchzusetzen». Im ressourcen- und lösungsorientierten Coaching geht es vor allem darum, mit dem Potenzial des Coachees Möglichkeitsräume zu erweitern, ohne grenzüberschreitend zu agieren. Dies gelingt mit Begegnung auf Augenhöhe, Ermutigung und Achtsamkeit.
Kollegialität im Rollentausch
Weniger komplex gestaltet sich der Rollenwechsel, wenn kein Machtgefälle besteht. Wenn also eine Mitarbeiterin zum Coach einer Kollegin wird oder eine Fachexpertin zum Coach einer anderen. Das heisst nun aber nicht, dass dieser Rollenwechsel nicht anspruchsvoll ist. Der Sprung vom Kollegen zum Berater ist deutlich kleiner als jener vom Kollegen zum Coach. Kollegiale Beratung ist ein vertrautes Konzept, weil viele Berufsleute über Anleitung und Instruktion von Kolleginnen und Kollegen als Berufslernende oder Neueinsteiger/innen sozialisiert werden. Wer also eine Lehre gemacht oder eine neue Stelle angetreten hat, kennt und schätzt das Prinzip, bestätigt Susan Göldi, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft (FHNW) und Leiterin CAS Career Development und CAS Career Management. Hingegen bedarf es zum kollegialen Coaching einer bewussten Rollenklarheit und -disziplin vonseiten Coach und Coachee.
Vorteile von bewusst gestaltetem Rollenwechsel
Verfügen Führungs- und Personalfachkräfte über ein gut reflektiertes Rollenset so bringt das für die Organisationen entscheidende Vorteile, die über die offensichtlich positiven Auswirkungen auf Potenzialnutzung, Leistungserhaltung und -steigerung und damit verknüpft Motivation, Arbeitsqualität und Produktivität hinausgehen. Wenn beispielsweise eine Entscheidungsperson nicht zeitnah und schlüssig entscheiden kann, lohnt es sich andere Rollen zu prüfen. Wenn sich durch die Rolle Coach, Trainier/in oder Berater/in die Ausgangssituation verändern lässt oder die Zahl von Alternativen wächst, ist das zielführender als ein unbefriedigendes Ergebnis ohne Win-Win-Ergebnis herbeizuführen.
Damit Unternehmen ihre Ziele mit einer heterogenen Belegschaft in einem dynamischen Umfeld erreichen, braucht es Flexibilität und Kreativität. In diesem Kontext sind Coaching, Beratung und Training bewährte Handlungsstrategien im Changemanagement. Mitarbeitende und Führungskräfte sind nicht nur Profis in ihrer angestammten Rolle, sondern verfügen über zusätzliches Potenzial in anderen Rollen. Wo Strukturen die kollegiale Beratung und Zusammenarbeit stärken, hat dies einen positiven Einfluss auf Effektivität und Effizienz. Die Herausforderung für die Personalfachleute liegt dabei in Aspekten der Organisationsgestaltung wie zum Beispiel einer Kultur des Teilens von Fachwissen, dem Zulassen von Fragen und Fehlern, dem Organisieren von Austausch, dem Honorieren von Rollenwechseln und dem Unterstützen von Professionalisierungsmassnahmen in neuen Rollen.