Die Welt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Disruption, wie in letzter Zeit immer wieder heraufbeschworen, ist eingetroffen. Allerdings nicht, wie bisher vermutet durch Algorithmen, sondern durch die Natur. Die Generation C (connected) wird zur Generation Corona connected.

Wir fühlen uns durch das Unsichtbare, das Unhörbare verunsichert. Unsere Antennen sind sensibilisiert, die Alarmglocke ist in Bereitschaft und läutet schon da und dort. Es wird gespäht und beobachtet. Dort wo die Vernunft das Zepter sonst fest in der Hand hält, macht sich Angst, Hoffnungslosigkeit und Resignation bereit. Die Echse scheint zu erwachen. Unsere Gefühlswelt ist durcheinander und beginnt die Kontrolle zu übernehmen. Was macht dies nun alles mit den Jugendlichen?

Freiheit – was bedeutet das im Moment?

Die Jugendlichen möchten sich von den Eltern und den Autoritäten ablösen, sich von den Zwängen befreien, frei sein, tun und lassen, was einem beliebt, sich mit Gleichaltrigen treffen und sich auseinandersetzen, den eigenen Platz in der Gemeinschaft finden. Jetzt sind sie angehalten, sich nur noch zu fünft und mit zwei Meter Abstand zu treffen. Wie sieht es mit den Klimastreiks aus, die oft ein Ventil darstellten? Das Internet ist da keine Lösung.

Was soll das? Jugendliche möchten Kontakt, Beziehung, Berührung nicht nur über das Smartphone. Sie suchen die Nähe, oft auch die körperliche Auseinandersetzung, um ihre Identität bilden zu können. Wie werden nun Beziehungen geknüpft, wie wird erste Liebe und Sexualität gelebt? Wie bildet sich da überhaupt ihre Identität? Verbleiben sie in kindlichen Mustern, «eingesperrt» in der Familie oder bildet sich eine neue, reife soziale Sichtweise des Unterstützens und Helfens? Es ist im Moment schwierig abzuschätzen, wie die längerfristigen Auswirkungen sein werden. Eines ist jedoch sicher, dass 2020 nachhaltige positive und negative Einkerbungen hinterlassen wird. Die Echse, die im Jugendalter oft schon die Überhand hat, kann schwerlich in der Vierzimmerwohnung, unter Kontrolle des Vaters und der Mutter, zur Ruhe gebracht werden. Da sind Reibungsflächen und Reibung erzeugt Wärme.

Connected

Die Schule und oft auch der Arbeitsplatz ist nach Hause verlegt worden. Im Schlafanzug können die schriftlichen Aufgaben erledigt werden. Zoom, Spotify, Webex und andere Internetlernformen sind nun im Vordergrund. Die Jugendlichen sitzen daher lange am Bildschirm, zu Hause, neben Vater und Mutter, die oft auch Home-Office haben. Die Schulklasse, strukturiert durch Zoom, lässt die Kolleginnen und Kollegen, die Auseinandersetzung mit den durch das Internet oft überforderten Lehrpersonen in den Hintergrund treten. Was geschieht da mit den Jugendlichen, die auf solche Begegnungen zur Selbstfindung angewiesen sind?

Ihre Virtuosität im Internet ist sicher ein Vorteil, die Gaming-Mentalität nutzt, die Chat-Funktionen sind zur Zeit doppelt wichtig. Doch wie werden all die fehlenden kleinen «Spielchen» während des Unterichts und in den Pausen sich auswirken? Einige werden es kaum vermissen, da sie in der Klasse nie richtig angekommen sind. Die Introvertierten werden profitieren und vielleicht sogar zur Höchstform auflaufen. Den Extravertierten fehlt die Bühne und fördert Selbstzweifel. Wer bin ich? Was möchte ich sein? Wer muss ich sein? Die Antworten fallen zur Zeit sicherlich anders aus. Die Antennen werden zum Teil empfindlicher, sensibler auf Störungen im Home-Office. Das Glöckchen weckt die Echse. Es gibt Fehlalarme, die Echse wird immer mächtiger und möchte sich Luft verschaffen, Grautöne nehmen überhand, man fühlt sich vermehrt angegriffen und missverstanden. Wo sind meine Freunde? Wo sind die aufmunternden Worte? Wo ist die verbale und mimische Unterstützung?

Jetzt ist alles angeschlossen und überwacht, die Zwischenräume für Kreativität und die kleinen Fluchten fehlen gänzlich. Im Chatroom wird überwacht, zu-, ab- und stummgeschaltet. Was macht das mit den Jugendlichen? Werden sie nun zu total Angepassten oder zu Rebellen? Die Antwort steht noch aus.

Generationen – wie lange hält die Solidarität?

Die vom Bundesrat auferlegten Einschränkungen werden im Moment von den meisten Personen eingehalten. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen verzichten zu Gunsten der Älteren und Alten. Sie unterstützen sie durch distanzierte Hilfeleistungen und können so dem Bedürfnis nach Solidarität nachkommen. Die Vernunft hat das Zepter noch in der Hand. Doch alles hängt an einem seidenen Faden. Die Echse hat langsam die Augen aufgeschlagen, da und dort werden die Empfehlungen missachtet (übrigens nicht nur von den Jungen) und es wird getestet, wer wo wie interveniert. Was bedeutet durchhalten zugunsten der Alten? Im Moment werden finanzielle Pakete gechnürt, die wenn einmal geöffnet, sich auf lange Frist erst konkret auswirken werden. Die Jungen bezahlen die momentanen Ausgaben beispielsweise über Steuern im Nachhinein. Wie lange wird die Echse dies mit offenen Augen tolerieren? Die Stimmung könnte sich rasch in Verbitterung, Wut und Aggression umwandeln? Was ist dann die Autorität des Staates noch wert?

Vielleicht finden die Jugendlichen über den Verzicht und die Rücksichtnahme zu sich selber und ein neues Zeitalter, das die Alten wieder ehrt, bricht an. Autoritäten und Staatsmacht (Politik) wird wieder respektiert und geachtet. Die Antwort steht auch da noch aus.

Wenn die Echse immer mehr die Überhand gewinnt

Es ist still geworden, das Tempo wurde herausgenommen. Es braucht nun Verzicht, doch Frustrationstoleranz ist sicher nicht die Stärke im Jugendalter. Alles möchten die Jugendlichen sogleich emotional realisieren, erleben, tun. Vieles konnte in der Vergangenheit durch Action verdrängt, bearbeitet, verarbeitet und integriert werden. Die Echse hat das Zepter in der Hand und bricht mit vernünftigen Regeln. Was aber, wenn dies verwehrt wird? Jetzt sind die Jugendlichen auf sich selbst geworfen, die Party ist abgesagt. Gamen, Kiffen, Alkohol, Chatten sind Versuche, das Ganze zu stabilisieren. Aggressionen im engen Zuhause nehmen sicherlich zu. Leere macht sich breit. «Was ist der Sinn des Lebens, meines Lebens?», fragen sich die Jugendlichen verstärkt. Eine Antwort bleibt in dieser unsicheren Zeit noch aus. Depression, Zwang, Psychosen, Angst, Panikattaken könnten in der Folge vermehrt auftreten.

Die schulisch Fleissigen, die eher kindlichen Jugendlichen, die Introvertierten und Schüchternen und die sozial Engagierten könnten in der stillen Zeit der Echse Einhalt gebieten und sich vermehrt engagieren und aufblühen. Diese Käfte gilt es so oder so zu stärken. Resilienzbildung ist das Stichwort unserer  aktuellen Phase.

Tipps und Lichtblicke

Wir brauchen alle zur Zeit einen emotional sicheren Ort mit festen Ritualen und Tagesstrukturen. Wo ist in meinem Zuhause der Rückzusort, an dem es mir am besten gefällt? Wo und bei wem finde ich Trost, Liebe und Unterstützung? Was ist im Alltag besser als vor der Krise?

Wenn die Echse klingelt, so öffnen wir die Türe ein Spältchen und sagen: «Liebe Frau Echse, es ist im Moment nicht günstig». Das Zepter überlassen wir der Vernunft und suchen nach kreativen Lösungen (Lernen, Lernen, Lernen und Tagebuch schreiben/zeichnen, Lesen (was ist warum dein Lieblingsbuch?), Aufräumen, Kochen, Backen, Basteln, Briefe von Hand schreiben, Spiele spielen, Sportübungen zu Hause machen, Reflexion, Nichts tun, Langeweile ertragen…). Auf was bin ich Moment stolz? Was ist mir heute besonders gut gelungen?

Für die Nacht ziehst du dir eine virtuelle Schlafmütze an, die dich von allen negativen Gedanken fernhält. Lese die täglichen Nachrichten vor 18.00 Uhr oder nur einmal in der Woche. Eine kurze Meditation mit einem positiven Inhalt ist deine letzte Handlung vor dem Einschlafen, das Smartphone wird vorher nochmals gecheckt.

Wenn die Echse dir erzählt, dass alles grau bis schwarz ist, so setze dir die rosa Brille auf und stelle dir vor, wie es ist, wenn alles vorbei ist und das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlägt. Was könnte ich jetzt schon dafür tun? Was ist da vorzubereiten? Auf was freue ich mich besonders? Was werde ich als erstes tun? Was bedeutet mir Freiheit? Was fehlt mir zum Glücklichsein?

—–

Die Echse und andere Sinnbilder sind in Anlehung an das Buch «Lily, Ben und Omid», 2015 von Marianne Herzog und Jenny Hartmann Wittke entstanden.

askg GmbH angstmann schulung kommuikation gestaltung