Worauf müssen Studierende und Weiterbildungswillige 2021 achten und welche Herausforderungen warten auf die Weiterbildungsbranche? Speziell bei der beruflichen Weiterbildung ist viel Innovation im Gange.
Daniel Herzog, CEO des Branchenprimus Lernwerkstatt Olten im Bereich der Ausbildung von Bildungsfachleuten, Coaches und Mentoren, war schon immer ein Pionier, wenn es um die Einführung und Weiterentwicklung zeitgemässer und visionärer Ausbildungsformen sowie -inhalte ging. Mit ihm haben wir über die Trends der nahen Zukunft gesprochen und ein Fazit für 2020 gezogen.
Daniel Herzog, welches Fazit ziehen Sie für die Weiterbildungsbranche für das Jahr 2020 und welche Trends und Herausforderungen warten 2021 auf die Weiterbildungsanbieter/innen im Sektor Ausbildung für Bildungsfachleute, Coaches und Mentoren/-innen?
Daniel Herzog:
2020 ist für uns als Lernwerkstatt Olten mit 30 Standorten ein gutes Jahr. Das mag vor dem Hintergrund der Covid-Pandemie seltsam tönen. Wir waren aber schnell mit unseren Hybrid-Unterrichtsformen, haben sehr zeitgemässe Angebote und konnten das Angebot weiter ausbauen und mit Burgdorf, Freiburg, Schaffhausen, Unterägeri und Sursee fünf neue Standorte ins Programm aufnehmen. Den Lockdown im Frühling überbrückten wir mit virtuellen Kurstagen. Wir unterrichteten in dieser Zeit 122 Klassen und 1’085 Teilnehmende erfolgreich via Zoom. Und dies ohne Kompromisse bei der Methodik. Insgesamt hatte und hat es die Weiterbildungsbranche, wie viele andere Wirtschaftszweige, aber schwer. Die Pandemie ist noch lange nicht überstanden und nicht alle Anbieter haben darauf so schnell und gut reagiert wie wir. Ich befürchte, dass einige Schulen die Pandemie nicht überleben werden.
Sie haben es angetönt: Die Covid-Pandemie war ein wirtschaftliches Desaster für viele Branchen – unter anderem auch bei Teilen der Weiterbildungsbranche, wie eine aktuelle Auswertung und Einschätzung des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung (SVEB) zeigt. Dennoch gab es Entwicklungsschübe – wie die Digitalisierung.
Daniel Herzog:
Wir haben gelernt, dass ganz viele Lerninhalte auch im virtuellen Lehrgangssetting mit gleicher Qualität vermittelt werden können. Es gibt nur wenige gute Gründe, dass sich jeden Tag Zehntausende von Menschen durch den Verkehr quälen, ihre Zeit vergeuden und die Umwelt belasten, um zur Universität, zur Berufsfachschule oder ins Seminarhotel zu gelangen. Die Covid-bedingte Zwangspause erweist sich in der Erwachsenenbildung als Katalysator für die längst fällige Digitalisierung und Virtualisierung. Nichtsdestotrotz ist Präsenzunterricht wichtig und der Wissenstransfer und interaktive Austausch mit Dozierenden nach wie vor spannend und erwünscht.
Konkret: Hat 2020 in den Köpfen – sprich in der Priorisierung der Angebote und Lehrgangs-/Studiengestaltung – bei den Bildungsfachleuten und Bildungsmanager/ innen ein Paradigmenwechsel stattgefunden?
Daniel Herzog:
Ich beobachte sowohl bei den Anbietern und Bildungsfachleuten als auch bei den Teilnehmenden nach wie vor grosse Unterschiede. Die einen haben die Herausforderungen der Pandemie gepackt und sich digital fit gemacht. Die andere Gruppe hofft auf bessere Zeiten. Die Schere öffnet sich mit jedem Tag weiter. Wenn ich als Bildungsanbieter zurückschaue, welchen Innovationsschub wir im letzten Halbjahr erfahren haben, bin ich auf unser Team sehr stolz. Alle unsere 80 Kursleitenden sind heute Profis in der virtuellen Unterrichtsgestaltung. Wir haben 30 Live-Webinare zu den unterschiedlichsten Themen rund um das digitale und virtuelle Unterrichten und Coachen entwickelt, und letzten Monat starteten unsere Lehrgänge zum SVEB-Zertifikat Kursleiter/in und Praxisausbilder/in im Blended-Learning-Format. Die Digital Natives sind jetzt in einem Alter, wo sie in die berufliche Weiterbildung einsteigen. Meine Tochter hat gerade kürzlich angemerkt, dass sie es nicht verstehe, warum ihr Unterricht im Immobilienbereich nicht virtuell stattfinden könne. Wir sehen also, dass die Agenda zusehends auch von den Teilnehmenden vorgegeben wird.
Berufliche Weiterbildung ist ungebrochen populär. Wie wird sich dies 2021 noch akzentuierter bemerkbar machen?
Daniel Herzog:
Das stelle ich auch fest. Kein Wunder, ist doch Bildung eine der wenigen Ressourcen, über welche die Schweiz verfügt. Im internationalen Wettbewerb bildet dies ein wichtiger Standortfaktor. Gerade auch der Bereich Erwachsenenbildung, Coaching und Mentoring, in dem wir tätig sind, bleibt weiterhin ein sehr attraktives Berufsfeld. In den meisten Bereichen wird das Weiterbildungsangebot nach der Pandemie weiterwachsen und damit noch verwirrender. Die Menschen orientieren sich somit immer mehr an eidgenössisch anerkannten Abschlüssen und wählen renommierte und bekannte Bildungsanbieter. Dieser Trend hilft Anbietern. Auch uns von der Lernwerkstatt. Sind wir doch bereits seit 24 Jahren auf dem Markt und haben in dieser Zeit 10’000 Bildungsfachleute, Coaches und Mentoren ausgebildet.
Die Angebotsvielfalt wird aber auch immer grösser? Man muss strategische Weiterbildungs-Entscheidungen treffen.
Daniel Herzog:
Die Weiterbildungsangebote der Höheren Fachschulen und speziell auch auf Hochschulstufe wie CAS, DAS und MAS werden weiter an Bedeutung gewinnen. Nicht immer zur Freude der Anbieter von Berufsprüfungen und Höheren Fachprüfungen. Wir haben diesen Trend in Form einer Kooperation mit der Fachhochschule Nordwestschweiz schon vor 15 Jahren aufgenommen. Neben dem schon lange angebotenen «DAS Bildungsmanagement» haben wir dieses Jahr zwei neue Kooperationsangebote ins Programm aufgenommen, nämlich die beiden CAS «Career Development» und «Career Management». Damit ermöglichen wir Bildungsfachleuten, Coaches und Mentoren Anschlussmöglichkeiten bis hin zum «MAS Erwachsenenbildung und Bildungsmanagement» – ganz nach dem Prinzip «Kein Abschluss ohne Anschluss».
Sie versprechen auch eine Durchführungsgarantie. Ist das heutzutage noch möglich?
Daniel Herzog:
Dank unserer 24-jährigen Erfahrung kennen wir unsere Branche wie nur wenige andere Player in der Schweiz. Zusätzlich nutzen wir verschiedene Analyseinstrumente, und da hilft uns die Digitalisierung. Wenn ich beispielsweise feststelle, dass sich auf unserer Website weniger Personen für einen Infoabend an einem bestimmten Ort interessieren, kann ich heute bereits voraussagen, dass der Lehrgang in einem halben Jahr schlechter ausgelastet sein wird und kann rechtzeitig zusätzlich Marketingaktivitäten planen. Sollte wirklich einmal ein Lehrgang abgesagt werden, erhalten die angemeldeten Personen für ihre Umtriebe 1.000 Franken bar auf die Hand. Und glauben Sie mir, das jährliche Budget für diese Entschädigung ist sehr tief. (lacht)
Digital und Blended Learning ist längst kein Trend mehr, sondern Standard. Wie werden sich die Angebote diesbezüglich aus der Sicht eines Weiterbildungsinstitutes entwickeln? Welche Trends sehen Sie für Ihre Branche 2021?
Daniel Herzog:
Das sagen Sie. In Tat und Wahrheit hat zwar Corona einen Innovationsschub ausgelöst, aber es gibt sehr grosse Unterschiede bei den Angeboten. Der grosse Antreiber sind die Unternehmen, welche ganz klar individualisierte Angebote mit kurzen Abwesenheiten fordern. Der Trend geht ganz sicher weiter in die Richtung Digital und Blended Learning. Wir bei der LWO haben bereits vor zwei Jahren unter dem Brand www.digital-training.ch ein umfangreiches Angebot geschaffen, in welchem man lernt, Lern- und Coachingprozesse digital zu unterstützen. Ich stelle aber auch einen gegenläufigen Trend fest: Gerade wegen der Digitalisierung und vermehrtem Home Office suchen die Menschen auch physischen Austausch und Abwechslung zum Bildschirm. Wir haben verschiedene erlebnispädagogische Angebote, die diesen Trend aufnehmen. Neben unserem Kameltrekking oder dem Segeltörn gehen wir mit unseren Teilnehmenden auch auf die Alp oder in die Höhle. Neu haben wir im Rahmen der Gruppendynamikausbildung im Lehrgang «Ausbilder/in mit eidg. Fachausweis» die «Expedition Iglu» und das «Abenteuer Outdoor» ins Programm aufgenommen.
Wo müssen Weiterbildungsanbieter/innen 2021 zudem ansetzen, damit der Mehrwert der Angebote und Lehrgänge sogar noch steigt?
Daniel Herzog:
Qualität, Kundennähe und Praxisbezug bilden weiterhin wichtige Eckpunkte. Präsenzunterricht und neu auch virtuelle Settings verstehen wir bestens. Aber die Entwicklung schreitet schnell fort: Aktuell werden hybride Settings getestet und die Reise geht weiter. Dazu habe ich sechs Thesen zur Erwachsenbildung der Zukunft verfasst. Teilweise etwas provokativ, aber sie sollen Anbieter und Bildungsmanager zum Nachdenken und Handeln anregen.
Daniel Herzog